Laudatio
Gedanken zu meinen Arbeiten anlässlich der Ausstellung „stop and go“ in der Sparkasse Bodensee von Wortkünstler Jürgen Weing aus Tettnang
meine letzten arbeiten
sind sehr viel freier geworden, freier geworden, die festen formen sind verschwunden, male wie eine verrückte, wie eine verrückte, wie eine besessene, male wie eine besessene, male eine leichtigkeit, male mich aufwärts, meine letzten arbeiten sind sehr viel freier geworden, ich fliege, ich fliege über gegenstände, über feste formen, so leicht wie licht wird mir, wie licht, male mit schwung in die himmelskurven, fliege übers weite bild, unter mir sehe ich städte, menschen, seen und landschaften, und ich fliege immer höher und höher und höher und alle gegenstände lösen sich auf, und ich fliege wie ein luftballon an der decke in meinem atelier umher, und ich bin angefüllt mit farbe und weit weit unter mir sehe ich besucher und ich winke, mit meinem pinsel winke ich, ich winke hin und her und wünsche ihnen freie sicht auf meine bilder.
kratzen schlürfen
eine weiße, eine unberührte, eine mit farbe getragene, dünn auf getragene und dann immer, immer pastoser getragene, kratzen, kratzen, schlürfen, nehmen und fügen hinzu, mit händen, die leinen bearbeiten, spächteln und wenden sanden und kanten, ein berührtes schlürfen verstärkt es, es verfärbt sich es wändet sich, es windet sich, es glättet sich, glatt glätten, leinwände glätten, fordern mich, die feuchten, die ungezeichneten frühen, erkennbaren, schlieren sich und lieren sich und fast sichtig verspurte, die folgen mir und dichten sich wieder ein.
wasserhahn
oft halte ich das ganze bild unter den wasserhahn, wasserhahn, wasserhahn, was fängt das bild mit wasser an, wasserbilduntermalung, unterwasserbildmalung, kaltwasser, oft halte ich das ganze, mit spachtel und farbe, mit farbe und schwung, warmwasserwarmhaltung, die oberste schicht wird entfernt, und fließt und fließt und fließt in den rhein, reinfließen, ins meer fließen und die untersten schichten fließen in weit entfernte länder, länderfließen, ferne spachtelfließfarben, male mit fernen fernfarben und halte das bild, das ganze bild unter den wasserhahn und das ganze bild kräht und von fern fließen fließwasserfarben in weit entfernte wellenspachtelländer und ich krähe und krähe zurück zu wasserwurzeln und das bild, das bild, das ganze unterbild stellt wellende bildfragen, die frühen glanzfragen, die ganzen unterwasserwelt fragen, fließen hinein, schicht für schicht.
es kann sein
es kann sein, daß mir das irgendwann nicht mehr gefällt, ein neues bild entsteht, ein anderes bild entsteht, und es kann sein, daß mir das irgendwann auch nicht mehr gefällt, und ein neues bild entsteht, ein anderes bild entsteht, und es kann sein, und es kann sein, und es kann sein, und dann ist es fertig und es kann aber sein, daß mir das irgendwann auch nicht mehr gefällt und ein neues kann sein entsteht, und es kann sein, dass das neue kann sein mir irgendwann, irgendwann auch nicht mehr gefällt, und mir fällt ein, dass das irgendwann mir irgendwann auch nicht mehr gefällt und es entsteht ein neues und irgendwann ein neues und ein neues und ein neues und schon ist es fertig.
© Jürgen Weing, Dentenweiler 3, 88069 Tettnang, www.juergenweing.de